Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf bonz.ch
V.I.R.U.S. wird von den Organisatoren als Progressive/Full On Openair beschrieben. Den Begriff Goa hört man vor Ort allerdings viel öfter.
Ich war noch nie an einer Goa-Party. Ich habe zwar schon 1-2 Hörversuche Richtung Psytrance unternommen, aber ich kann mit der Musik grundsätzlich nicht viel anfangen.
Trotzdem weckte dieses Openair als langjähriger „Insasse“ im Gefängnis Grenchen mein Interesse. Schliesslich findet das Event nicht zum ersten Mal auf dem Grenchenberg statt, und ich hatte bisher noch nie davon gehört. Ursprünglich in der Schwengimatt bei Niederbipp angesiedelt, fand laut der Webseite schon im 2003 ein erstes Event oberhalb der Stadt der Uhren statt. Nach der Party in 2006 war dann allerdings 7 Jahre Pause – doch seit 2013 gibt es wieder jährlich eine Tanzerei auf dem Grenchenberg.
Holprige Ankunft
Mit dem Shuttlebus von Grenchen Süd aus gings los – die Reise dauert auch ohne Pannen etwa 40 Minuten. Pflichtbewusst war ich auf dem ersten Bus um 14:00 Uhr.
Das Postauto schlängelte sich den Berg hinauf und aus dem Fenster hatte man zwischen den Bäumen hindurch einen sensationellen Ãœberblick über das Mittelland. Kurz vor dem Ziel erlitt allerdings die Kühlung des Gefährts einen Schaden – nach ein bisschen Warten und Nachfüllen von Kühlwasser schaffte es das verletzte Postauto dann aber doch noch zum Festivalgelände, unter tosendem Applaus der ersten Besucher. Scheinbar war dies die erste und letzte Panne der Shuttles an diesem Tag. Der Transport verlief sonst, trotz immer wieder entgegenkommender Autos auf der engen Bergstrasse, reibungslos.
Am Gelände oben angekommen präsentierte sich eine weitläufige Ebene mit liebevoller Deko, die von der Natur und indischer Symbologie inspiriert war.
Goa-Gänger sind Nachtschwärmer und so war das Gelände am Freitagnachmittag noch ziemlich leer. Gegen die Hitze halfen diverse Wasserpistolen und Spritzbehälter, die am
extra von der Feuerwehr aufgefüllten Reservoir gratis nachgeladen werden konnten.
Vorurteile
Wenn man als Aussenstehender Goa hört, denkt man zuallererst an Drogenexzesse und illegale Waldparties. Folglich war ich im Voraus auch ein wenig beunruhigt.
Meine Bedenken waren allerdings unbegründet. Zwar ist es absolut korrekt, dass viele der Besucher LSD oder andere Substanzen zu sich nehmen (die obligatorischen Kiffer braucht man eigentlich mit der momentanen gesellschaftlichen Akzeptanz gar nicht mehr erwähnen), doch war die Stimmung durchgehend friedlich. Ja, die Stimmung war sogar um einiges offener und freundlicher als auf manchen der Parties, die ich normalerweise besuche. Es war kaum möglich, zwei Meter zu laufen, ohne auf ein freundliches Lächeln, ein Hoi oder eine nette Konversation mit Unbekannten zu stossen. Und damit meine ich nicht zugedröhnte, besoffene oder anhängliche Menschen , sondern einfach grundliebe Partygänger, die ihre Freude mit anderen teilen möchten. Ich fühlte mich als Neuzugang sofort willkommen und hatte nie das Gefühl, nicht wirklich dazuzugehören.
Mehrere Male wurde ich gefragt, ob ich LSD oder Gras dabei habe – sogar mehr als nach Zigaretten. Dies war aber immer freundlich und im Gegensatz zu einer meiner früheren Erfahrungen im Oxa (hast du Koks?) nicht angsteinflössend. Ich hatte auch eine herrlich amüsante Unterhaltung mit einem russischen Immigranten, der seit etwa 15 Jahren in der Schweiz lebt. Teilweise konnte ich seinen Gedankengängen überhaupt nicht folgen, und ich schob das in meiner Naivität zuerst auf eine gewisse Sprachbarriere, bis er mir dann beiläufig erzählte dass er auf LSD sei. Selber konsumierte ich an diesem Wochenende nicht einmal Alkohol und hatte nie das Gefühl, etwas zu verpassen.
Musik
Meine Meinung zu Goa/Psytrance konnte das tolle Erlebnis nicht wirklich ändern. Letztendlich ist und bleibt mir das Ganze ein bisschen zu monoton (und laut). Ich werde zuhause weiterhin bei meinem lahmen Mainstreamtrance bleiben. Allerdings lässt sich sehr gut dazu tanzen und wenn man in der Lage ist, sich ein bisschen gehen zu lassen, kann man trotzdem viel Spass haben und sich die Seele aus dem Leib shaken. Es gibt keine Konventionen und jeder tanzt wo und wie er will und niemand wird dumm angeglotzt.
Ich kann solche Events jedem, der bereit ist mit einer gewissen Offenheit für neue Erfahrungen durchs Leben zu gehen, nur empfehlen.
Ich werde auf jeden Fall nächstes Jahr wieder reinschauen und freue mich schon, ein paar bekannte Gesichter von Besuchern, aber auch von vielen hochmotivierten und freundlichen Staffmembern wiederzusehen!
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