„I don’t wanna stop, we push it to the limit“

Idle Games – Die Freude am Nichtspielen

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Idle Games, von manchen auch Incremental Games genannt, bedienen etwas abseits vom Mainstream eine kleine aber dedizierte und stets wachsende Nische an Gamern. Bei diesen Games geht es oft nicht darum besonders aktiv zu sein, sondern vor allem durch das Verstreichen von Zeit „mächtiger“ oder „reicher“ zu werden. Diese Nische begutachten wir heute ein bisschen genauer.

Idle bedeutet zu Deutsch inaktiv, im Leerlauf. Der Begriff wird für viele dieser Games verwendet da Fortschritt in der Regel auch stattfindet wenn der Spieler nicht aktiv ins Geschehen eingreift. Viele der Zwischenziele sind ohne Warten gar nicht erst zu erreichen. Incremental, den Mathematikern sicher geläufig, signifiziert die schrittweise Erhöhung. Dieser Begriff findet Anwendung weil in dieser Spielform oft die einzige Interaktion daraus besteht immer wieder kleinere Upgrades zu erwerben die es wiederum ermöglichen das nächsthöhere Upgrade schneller zu erreichen.

Cookie Clicker

Eines der ersten Spiele dieser momentanen Welle an Idle Games ist (und) war Cookie Clicker. Das mit JavaScript realisierte Browsergame des Franzosen Julien Thiennot ist nicht der Ursprung des Genres oder der Mechanik, aber war für viele Spieler die erste Erfahrung mit diesem Spieltyp und hat das Phänomen erstmals einem etwas breiterem Publikum präsentiert. Die humorvolle Präsentation und Thematik hat sicherlich auch zum Erfolg beigetragen. Am Anfang wird man lediglich mit einem grossen Keks konfrontiert den man klicken soll. Durch diese Klicks verdient man sich dann Kekse mit denen man Cursor kaufen kann die für einen klicken und Kekse verdienen… Und mit diesen Keksen wiederum kauft man dann wiederum Gebäude die noch mehr Kekse backen…

Cookie Clicker
Cookie Clicker

Adventure Capitalist

.Auch auf Kongregate, einer beliebten Plattform für kostenlose webbasierte Games (analog dem Internetklassiker Newgrounds) hat das Genre Idle Games einen Aufschwung erfahren. Unter dem Tag „IDLE“ finden sich über tausend Spiele. Eines der Spiele das dort seinen Ursprung fand ist Adventure Capitalist. Seit dem 30. März findet sich dieses nun auch gratis auf Steam, komplett mit Achievements was ich natürlich prompt zum Anlass nahm erneut darin zu versinken.
Während ich diesen Artikel schreibe ist auf Steam übrigens ein erhebliches Update zu Adventure Capitalist erschienen welches ein neues Endgame auf dem Mond hinzufügt. Dieser Modus war auf Kongegrate bereits seit einiger Zeit integriert womit die Steamversion nun nicht mehr dieser Version hinterherhinkt.

Das Endgame von Adventure Capitalist
Das (ursprüngliche) Endgame von Adventure Capitalist

Clicker Heroes

Ebenfalls seinen Start auf Kongegrate erlebte „Clicker Heroes“. Dieses Game lässt sich aber auch direkt über clickerheroes.com spielen und erhielt am 15. April das „GreenLight“ auf Steam, wobei die Erscheinung die auf Frühling 2015 angekündigt ist bis jetzt noch aussteht. Der besondere Kick den Clicker Heroes der bisherigen Formel verleiht ist der „Kampf“ gegen animierte Monster. Von Ratten über Mimics über Elementargeister bis hin zu einem seltenen Kappamonster ist die Auswahl dabei völlig zufällig aber amüsant. Getötete Monster verteilen ihre Augen und Innereien in Comicgrafik auf dem Bildschirm. Zusätzlich werden im Spielverlauf Fähigkeiten mit Cooldowns freigespielt die der Spieler kombinieren kann um den Schaden zu erhöhen. Ebenfalls verfügt Clicker Heroes mit dem „Ancients“-Sytem über das aufwendigste Reset-system (siehe dazu auch den entsprechenden Abschnitt) bei dem sich verschiedene Bonusbosse ebenfalls hochleveln lassen die verschiedenen Einfluss auf das Spielgeschehen haben wie vermehrtes Auftreten von Schatztruhen oder geringere Cooldowns für die verschiedenen Fähigkeiten.
Clicker Heroes

Clicker Heroes

Von Mäusen in Kisten

Was aber macht eigentlich genau den Reiz dieser Spiele aus? Wieso werden auf den ersten Blick Spiele die den Begriff „Casual“ eigentlich verkörpern von vielen Gamern inklusive mir fast mehr zu einem Hardcore-Erlebnis als manche Mainstreamkost? Wieso habe ich auf Steam über 312 Stunden in Adventure Capitalist aufgehäuft von denen weniger „idle“ waren als es mir lieb ist?

Um diese Frage zu beantworten müssen wir kurz in die Verhaltenspsychologie wechseln. Der Begriff „Skinner box“ ist dem einen oder anderem Gamer vielleicht schon aus diversen Artikeln oder Videos bekannt. Er beschreibt ein über 80 Jahre altes Experiment in dem Mäusen oder anderen Versuchstieren beigebracht wird bestimmte Knöpfe zu betätigen um entweder eine Belohnung oder Bestrafung zu erreichen.

Den Weg in die Gamesberichterstattung hat dieser Begriff gefunden weil viele Spiele gezielt darauf abzielen das Belohnungszentrum im menschlichen Hirn immer wieder und wieder zu betätigen um so den Spieler im Spiel engagiert zu halten. In Idle und Incremental Games ist dieses Phänomen gerade am Beginn des Spiels sehr stark vertreten. Am Start des Spiels ist man meist mittelos und kann sich bestenfalls eine einzelne Einheit leisten die Ressourcen produziert. Wartet man ein paar Sekunden kann man sich aber bereits die zweite kaufen, und wenig später schon die nächst höhere Stufe. Bei allen vorgestellten Spielen gibt es zudem bei bestimmten „runden“ Mengeneinheiten (25 – 50 – 100 – 1000 – 2000) Boni – die meist die entsprechenden Einheiten nochmals verstärken. So lässt sich gerade am Anfang sehr viel Zeit damit verbringen seinem Vermögen beim Wachsen zuzusehen und auf das nächstmögliche Upgrade zu warten.

Reset-Mechaniken

Damit ist Faszination aber noch längst nicht zu Ende erklärt. Oft ist die Anzahl Einheiten begrenzt. Bei Adventure Capitalist lassen sich (im normalen Modus) lediglich 10 verschiedene Gebäude erwerben. Früher oder später hat man auch vom teuersten Gebäude eine riesige Menge angehäuft und der Fortschritt kommt fast zum Stillstand. An diesem Punkt kommen in allen Spielen zusätzliche Resetmechaniken zum Tragen. Hat der Spieler den Anfang des Endgames erreicht erhält er neu eine zusätzliche Bonusressource die sämtliches Einkommen multipliziert (Himmlische Kekse bei Cookie Clicker, Angel Investors, ein Wortspiel, bei Adventure Capitalist und Uralte Seelen bei Clicker Heroes).
Diese Ressource wird im normalen Spielverlauf verdient, wird aber erst angewendet sobald der Spieler all seinen bisherigen Spielverlauf aufgibt. Mit diesem Multiplier lässt sich dann der vorherige Spielstand schneller erreichen, wonach der nächste Reset erfolgt, mit noch mehr Bonusressource. Das ganze ad infinitum – dutzende Resets sind bei diesen Spielen nicht ungewöhnlich.

Ebenfalls für die Langzeitmotivation verantwortlich ist dass trotz der relativ linearen Progression das effizienteste Upgrade selten direkt ersichtlich ist. Für Clicker Heroes sind sogar mehrere Onlinetools nötig um den idealen nächsten Schritt zu erreichen und dementsprechend finden auch ausgiebige Metadiskussionen statt.

Idle Games unterschätzt man mit einem oberflächlichen Blick leicht um dann von der erstaunlichen Tiefe überrascht zu werden. Aber im Prinzip geht es bei allen Idle Games nur um die Illusion von Fortschritt. Und doch ist ein Wort der Warnung angebracht: Selten liess sich mit Nichtstun soviel Zeit verschwenden. 🙂


Kommentare

4 Antworten zu „Idle Games – Die Freude am Nichtspielen“

  1. […] Artikel erschien ursprünglich auf dem Blog von Varimathras und wurde mit freundlicher Genehmigung […]

  2. Cookie Clicker war sicher nicht eins der ersten idle games. Die gab es mindestens schon 5 Jahre vorher.

    1. „Eines der ersten Spiele dieser momentanen Welle“

      Klarer kann ichs eigentlich nicht machen 😀

  3. […] Cookie Clicker gibt es noch jede Menge anderer Spiele, die das gleiche Konzept haben. Man kann sich also Spiele heraussuchen, die sowohl eine aktive als […]

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