Hatred, der Erstling des bis dato unbekannten polnischen Entwicklungstudios Destructive Creations, löste im Oktober 2014 einen wahren Shitstorm mit dem Ankündigungstrailer aus. Das Töten von unschuldigen Zivilisten in einem blutigen Amoklauf wurde darin als Spielziel definiert.
Angesicht der massiven Kritik von Gamingmedien wurde der Titel sogar zeitweise von Steam Greenlight suspendiert, um nur wenige Zeit danach von Gabe Newell persönlich wieder freigeschaltet zu werden. Sogar Twitch aktualisierte diese Woche die Nutzungsbedingungen um Spiele die für „Adults Only“ freigegeben sind vom Service zu verbannen. Hatred ist damit auf eine sehr kurze Liste der Spiele geraten die nicht gestreamt werden dürfen.
Hatred erscheint nun nächste Woche auf Steam. Testmuster wurden ohne Embargo den meisten Kritikern bereits zugeschickt.
Hat sich dieses ganze Trara im Endeffekt gelohnt? Nein. Den meisten Ersteindrücken zufolge ist Hatred ein technisch kompetenter Twin Stick Shooter, der allerdings weder speziell aufzuregen noch zu begeistern mag. Einige „Journalisten“, wie zum Beispiel die Profis bei Gamestar, kommen in ihren Videos allerdings nach wie vor nicht darum herum herauszustreichen, wie „geschmacklos“ und daneben das Ganze doch sei und ihre betont angewiderten Gesichter für die Kamera zu reissen. Manchen fällt es halt schwer zuzugeben, dass hier ein Titel unnötig gratis Publicity erhielt.
Ich habe Hatred selbst nicht gespielt aber mir über diverse Videos einen Eindruck verschafft. Der Grafikstil ist gelungen und erinnert mit dem schwarz-weissen Motiv etwas an Saboteur. Die entsättigten Hintergründe werden immer wieder von farbigen, meist interaktiven Elementen, wie etwa roten Ölkanistern die bei Beschuss explodieren, unterbrochen. Die Effekte und Physik sind ebenfalls überzeugend. Anscheinend gibt es aber Probleme mit der Genauigkeit bei der Steuerung des Titels und von der Thematik absehbar, bietet das Spiel auf lange Dauer keine Neuerungen oder Motivation mehr. Ebenso bemängelt werden Clipping-Fehler, FPS-Einbrüche und die eher tiefe Schwierigkeit (wobei es 3 Stufen gibt).
Bei sogenannten Hinrichtungen wechselt das Spiel in eine andere Perspektive und zeigt wie der Protagonist auf unterschiedliche Art und Weise Zivilisten tötet. Dies mag denn auch für die meisten der Stein des Anstosses bleiben, aber das Spiel scheint nicht wirklich besonders widerlich, wie im Vorfeld angedeutet. Dass Zivilisten und Polizisten als Gegner oder Opfer herhalten müssen, fühlt sich eher wie eine Frage des Settings an – würden diese durch Zombies oder Ganoven ersetzt, würde niemand gross diskutieren.
Clickbaiting
Es wäre naiv anzunehmen, dass dem Studio Destructive Creations nicht bewusst war, welche Reaktionen ihr Trailer auslösen würde. Genau so muss man davon ausgehen, dass die Schreiberlinge die darüber berichteten auch darüber im Klaren waren, dass das Spiel ohne ihre Mithilfe kaum die selbe Aufmerksamkeit erhalten hätte die es nun geniesst. Trotzdem gingen die meisten der Falle auf den Leim und mittels Domino-Effekt konnte sich früher oder später niemand mehr leisten, nicht einen Kommentar darüber abzugeben wie „schrecklich“ das Ganze doch sei. Alles nicht wirklich um vor dem Titel zu warnen, sondern um die eigenen Clickzahlen zu boosten.
Das Spiel ist natürlich auch ein gefundenes Fressen für die Mainstream Presse, insbesondere die Erzeugnisse die aus Angst, Hass, Titten und dem Wetterbericht bestehen. Genüsslich können sie das Spiel nutzen um bei Menschen, die wenig über Gamer wissen, Ressentiments und Furcht auszulösen. Sicherlich würde das auch ohne dieses Spiel geschehen, doch die Entwickler machen es allzu leicht. Denn mit dem Anspruch auf Kunst oder Parodie lässt sich dieses Spiel nicht begründen. Während sich Spiele wie GTA wenigstens über unsere Konsumkultur lustig machen, fehlt bei Hatred der Kommentar komplett. Wenigstens ist der Hauptcharakter unfreiwillig komisch, da es schwer fällt seine markigen Sprüche nicht als lächerlich zu empfinden.
Outrage Culture
Die Ereignisse rund um Hatred sind Ausdruck einer neuen Form von Internetphänomen. Mit der wachsenden Relevanz von Social Networks und Diensten wie Reddit und Twitter gibt es scheinbar ein immer stärkeres Bedürfnis sich aufzuregen. Stories von Verfehlungen von Spieleentwicklern oder Persönlichkeiten, werden bis zum Gehtnichtmehr aufgeblasen. Die Reaktionen der Massen sind inzwischen ein Mittel das teilweise auch Grössen, wie Valve, in die Knie zwingt. Während zum Beispiel die kürzliche Einführung von Paid Modding denkbar schlecht umgesetzt war, war denn auch die Reaktion unproportional stark und emotional.
Besonders bedenklich ist, dass bei den Unmengen an Reaktionen auch immer mehr Individuen dabei sind die dann Morddrohungen und ähnliches ausstossen oder in manchen Fällen sogar dazu übergehen, Adressen von Persönlichkeiten herauszufinden und ihnen subtil bedrohliche Dinge, wie mit Wasser gefüllte Spritzen oder Päckchen voller Mehl, zu schicken.
Diese Kultur führt besonders in der schnell-lebigen Onlineumgebung auch dazu, dass oft Fehlinformationen oder Missverständnisse an Tausende, ja Millionen rausgehen die dann sofort auf die Barrikaden gehen gegen etwas das vielleicht so gar nicht einmal geplant ist oder existiert. Angesichts dieser Kultur kann man nur jedem anraten Dinge die aufregen, erst einmal mit Ruhe und Sachlichkeit zu hinterfragen. Denn oft stellt sich das Problem mit etwas Analyse als weniger brennend heraus als zuerst angenommen.
Hatred erscheint am Montag, 1. Juni auf Steam und ist nicht zu empfehlen da es kein besonders gutes Spiel ist.
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